Von der Sucht gebraucht zu werden
von Sabine Grote (Kommentare: 0)
Letztens habe ich mir im Suchtsymposium von Anne Sono einige Videos mit Experten und Menschen, die ihre Sucht bewältigt haben, angesehen. Sehr interessant. Sucht wird gerne tabuisiert und verheimlicht. Darüber zu sprechen, aktiviert nicht selten unsere Schuld- und Schamgefühle, unsere Ängste vor Diskriminierung. Ist doch Sucht eine mögliche Reaktion auf Stress, Druck oder versteckten Schmerz. Sie gibt uns vorübergehende Entspannung, lenkt uns ab und lässt unsere Probleme in einem milderen Licht erscheinen. Jeder hat seine eigenen Strategien und Muster, um das zu bekommen, was er sucht. Sucht kann sich in vielen Süchten äußern, die gebräuchlichsten sind: die Sucht nach Essen, Alkohol, Sex, Computerspielen oder Drogen. Wir verschleiern vielleicht unseren Schmerz, wollen ihn nicht fühlen und unser Elend nicht wahrhaben.
Süchtig nach Beziehungen
Eine Sucht, über die selten jemand spricht, ist die Sucht gebraucht zu werden, auch Beziehungssucht genannt oder Co-Abhängigkeit, wenn wir einen Partner mit einer Suchtstruktur haben. Es wird zwar viel über Grenzverletzungen und Missbrauch gesprochen, aber die Sucht für einen anderen ganz da sein zu wollen, gebraucht zu werden, ihm zu helfen, scheint noch weniger greifbar, als andere Süchte und besonders häufig bei Frauen aufzutreten. Ein Thema, das wir offensichtlich nicht ernst genug nehmen, nicht sehen wollen oder was uns noch sehr unbewusst ist. Die Sucht gebraucht zu werden, hält uns oft davon ab, uns weiter zu entwickeln und unsere eigentlichen Fähigkeiten zu nutzen. Oft kennen wir unsere Gaben gar nicht richtig oder wissen nur wage, welche Talente in uns schlummern. Wir wandeln im Nebel oder fühlen uns wie in Watte gepackt und warten ab. Der Nebel soll sich erstmal lichten. Doch unserer Innerstes verlangt nach Ausdruck, sehnt sich nach sinnvoller Betätigung. Die Frage nach dem Sinn lässt uns bis zur Besinnungslosigkeit suchen, doch wie wollen wir uns finden, wenn wir leer und ausgepowert sind, weil wir zu viel gegeben haben?
Suche nach Erfüllung
Oder: wir geben nicht auf, machen eine Ausbildung nach der anderen, aber kommen nicht ins Handeln. Keiner hat uns eine Gebrauchsanleitung gegeben, wie wir dieses Leben meistern können. Aus unserer Suche nach Erfüllung wird die Sucht nach Aufmerksamkeit, nach Anerkennung, nach Liebe und Geborgenheit, welche auf einen oder mehrere Menschen projiziert wird. Diese Person soll uns die Erfüllung bringen, nach der wir suchen. Wir wollen sie aus ihrer Situation rausholen, sie retten, ihr helfen oder sie zu einem besseren Lebensstil bekehren. Wir möchten dafür geliebt, geachtet und anerkannt werden, uns sicher und geborgen fühlen. Werden unsere Erwartungen nicht erfüllt, leiden wir und sind furchtbar enttäuscht. Das Bedürfnis nach emotionaler Sicherheit aber bleibt ungestillt.
Wie kommen wir raus aus der Spirale?
Der Satz meiner spirituellen Lehrerin klingt mir noch heute in den Ohren: „Du kannst entweder zu Dir hin- oder von Dir weggehen“. Indem wir von uns weggehen, uns aufgeben und dem anderen unsere Energie geben, entfernen wir uns von uns selbst. Die Richtung ändern, ist das Schlüsselwort. Praktisch angewendet, ist es wie im Flugzeug, wenn die Stewardess die Notfallmaßnahmen erklärt: erst setzen wir selbst die Atemmaske auf, bevor wir uns um andere kümmern.
Wir tragen alles in uns
Es ist unser Herz, das uns den richtigen Weg zeigt. „Hör mich!“ ruft es. „Hör mich doch! Fühle mich! Wende Dich mir zu!“ Wenn wir uns nach innen wenden, unserem Herzen zuneigen, verändern wir augenblicklich unsere Schwingung, werden heiterer, gelassener. Sei es ein Lächeln, eine Inspiration oder Freude ohne Grund, die in uns aufsteigt, dies kann uns für einige Zeit glücklich machen. Und vielleicht wagen wir es, -mit dem Wissen, dass wir alles in uns tragen, nach dem wir suchen- uns den unangenehmen Gefühlen und Mustern zu stellen, die in unserem Unterbewusstsein lauern. Sie erschließen und sie annehmen. Mit etwas Geduld und Übung können wir der Erwachsene für unser inneres Kind sein und es an die Hand nehmen, um es in Sicherheit zu bringen und ihm die Liebe und Geborgenheit geben, die es so sehr braucht.
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